18. Aachener Friedenstage
„Angst- statt Sicherheitspolitik“ – 24. März 2017


 

 

Dr. Rolf Gössner, Bremen

 

Rechtsanwalt, Publizist, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte,

stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Hansestadt Bremen

 

 

 

Angst- statt Sicherheitspolitik

 

Dr. Rolf Gössner, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Anwalt, Publizist und seit 2007 stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, referierte am Freitag, 24. März in der Annakirche in Aachen über Terror – wo er herrührt, wozu er missbraucht wird und wie er zu überwinden ist.


Er sprach vor einem aufmerksamen Auditorium über die herrschende Sicherheitspolitik mit fatalen Aufrüstungsreflexen und hohem Gewaltpotenzial, über verfassungswidrige Sicherheits-und Anti-Terror-Gesetze in Serie und das neue Anti-Terror-Gesetzespaket 2016. Er wies darauf hin, wie der Westen sich seine Feinde selbst schafft und Symptome statt Ursachen bekämpft. Er analysierte die Verflechtungen des Verfassungsschutzes in Naziszenen und vermittelte, dass trotz Skandalgeschichten, Versagen und Vertuschen keine ernsthaften Konsequenzen zu erkennen sind.


Am Beispiel Schnöggersburg erklärt er die Zusammenhänge zwischen Aufstandsbekämpfung im urbanen Raum, Streitkräften im Inneren der EU-Staaten und der Zukunft der Kriegsführung. „Die Kriege der Zukunft“, so Gössner, „werden Kriege in urbanen Ballungsräumen sein … es werden asymmetrische Kriege sein, die nicht gegen Heere, sondern gegen Terroristen und Aufständische geführt werden“.


Tatsächlich trainieren Bundeswehrsoldaten für ihre militärischen Interventionen auch Aufstandsbekämpfung, also die Niederschlagung sozialer Unruhen und militanter Aufstände, sowie den „asymmetrischen Krieg“ realitätsnah in urbanen Räumen. So etwa in der künstlichen Übungsstadt Schnöggersburg, eine sechs Quadratkilometer große Übungsstadt, die für 140 Millionen Euro in Sachen-Anhalt als Gefechtsübungszentrum des Heeres (GÜZ) in der Colbitz-Letzlinger Heide derzeit entsteht, die größte militärische Übungskampfstadt unter der Regie des Rüstungskonzerns Rheinmetall: ein „urbaner Ballungsraum“ mit 520 Gebäuden, einer Altstadt und Hochhaussiedlungen, einem Regierungs- und einem Elendsviertel, mit Industriegebiet und Bahnstation, Flughafen, Straßen, U-Bahn-Tunnel und Kanalisation, mit Moschee, Stadion und Stadtpark mit Fluss und Brücken. Also eine typische Infrastruktur moderner europäischen Metropolen, dort, wo sich soziale Konfliktlagen zusammenballen und entladen können.


Das Schlussplädoyer: Ursachenbekämpfung statt Aufrüstungs-und Kriegspolitik. Die aktuelle Anhäufung von sicherheitspolitischen Instrumenten der Überwachung und Kontrolle, der Gefahrenvorsorge und -abwehr auf Vorrat und der Militarisierung nach außen und innen weist über reine Terrorabwehr weit hinaus. Mit ihrer Art von Anti-Terror-Kampf zeige sich die Bundesrepublik, die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten sowie die EU insgesamt weiterhin ignorant gegenüber den wirklichen Ursachen von Terror, Gewalt und Flucht, an denen westliche Staaten und Staatengemeinschaften maßgeblich beteiligt sind.


Die bisherigen kriegerischen Militärinterventionen haben die Welt jedenfalls nicht sicherer gemacht und den Terrorismus nicht eingedämmt – im Gegenteil: Krieg ist seinerseits Terror und gebiert immer neue Terroristen. „Wir brauchen starke nationale und europäische Gewerkschafts-, Protest- und Widerstandsbewegungen, die – über Deutschland und Europa hinausdenkend – für eine friedlichere Welt und eine gerechte Weltordnung gewaltfrei kämpfen. Die vorherrschende freiheitsraubende Sicherheits- und Aufrüstungspolitik ist also keineswegs alternativlos.“

 


 

Sehen Sie hier den kompletten Vortrag in einem Youtube-Video von Helmut Lenders (-=NEWSCAN=-).

 


 

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